IN MEMORIAM
Volkhard Winkelmann
*1.1.1929
+16.12.2017
Wie wir erst jetzt erfuhren ist Volkhard Winkelmann, der Herausgeber des Gedenkbuchs für die ermordeten Juden der Stadt Halle, im Dezember letzten Jahres verstorben. Auf seinen Wunsch fanden Trauerfeier und Beisetzung im allerengsten Familienkreis statt.
Als 15-Jähriger erlebte er, wie sein Vater, ein Kriminalbeamter, 1945 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD abgeholt wurde. Die Mutter und die vier Kinder sahen ihn nie wieder. Sie erfuhren auch nicht, wohin man ihn gebracht hatte, was ihm vorgeworfen wurde oder wann, wo und unter welchen Umständen er ums Leben kam. Erst nach dem Ende der DDR fand Volkhard Winkelmann seinen Namen im Totenbuch von Buchenwald, dem Konzentrationslager der Nationalsozialisten, das bis 1950 vom NKWD als „Sowjetisches Speziallager Nr. 2“ geführt wurde. In diesem Zeitraum starben über 7.000 Menschen.
In der DDR bedeutete das Schicksal des Vaters für den Sohn, dass er, obwohl zum Oberstufenlehrer ausgebildet, nur in der Unterstufe unterrichten durfte. Erst nach der Revolution von 1989 konnte er seiner Qualifikation gemäß als Gymnasiallehrer arbeiten. Am Südstadtgymnasium entwickelte er ein Schülerprojekt zur Erforschung der Biografien der halleschen Juden, die im Holocaust ermordet wurden. In Zusammenarbeit mit Gudrun Goeseke, die bereits viele Informationen über die deportierten und geflohenen Juden zusammengetragen hatte, nahmen die Schüler Kontakt zu Überlebenden auf und entwickelten so ein Gedenkbuch, das Volkhard Winkelmann nach seinem Abschied vom Schuldienst allein weiterführte und ab 2008 auch für die Internetseite der Stadt Halle freigab. Im Vorwort zur 3. Auflage zu „Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle“ schrieb er:
Das Gedenkbuch half Angehörigen zu neuer oder genauerer Erinnerung an ihre Toten und Gewissheit über deren Schicksal. Häufig erreichten uns von vielen Kontinenten Anfragen und Hinweise von Angehörigen und Freunden der Opfer oder der Familien, deren Biografie bisher in Halle gänzlich unbekannt war oder nur als Fragment vorlag. (http://www.gedenkbuch.halle.de/vorwortde.php )
Ab 2004 bildeten die Datensammlung von Gudrun Goeseke und Volkhard Winkelmanns Gedenkbuch die Voraussetzung für die über 240 STOLPERSTEINE, die heute unaufdringlich, aber berührend das hallesche Stadtbild prägen. Ohne Menschen wie Volkhard Winkelmann wäre dieses Kunstprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig nicht realisierbar.
2007 wurde Volkhard Winkelmann in Halle mit dem Bürgerpreis „Der Esel der auf Rosen geht“ geehrt.
Halle im März 2018
Der Vorstand Dr. Udo Grashoff, Heidi Bohley, Anne Kupke