Benkendorfer Straße 78


Hier wohnte Henriette Sauer geb. Flatow

Henriette Sauer wurde am 1. März 1885 in Könnern geboren. Sie heiratete den Schlosser und Heizer Friedrich Otto Sauer (*1883 in Gerbstedt) und bekam mit ihm vier Söhne: Harry (*1912), Lothar (*1913),Hans-Joachim (*1919) und Otto (*1922).

1942 wurden die Eheleute verhaftet und vor dem Landgericht Halle wegen „Kuppelei“ und „Gewährung der Gelegenheit zur Unzucht“ angeklagt. Ihr „Vergehen“: Sie hatten zugelassen, dass sich einer ihrer Söhne mit seiner Freundin (und späteren Ehefrau) in der elterlichen Wohnung traf. Grundlage der Verhaftung war vermutlich eine Denunziation. Der nichtjüdische Ehemann kam nach einer Gefängnisstrafe wieder frei. Seine jüdische Frau Henriette Sauer wurde jedoch in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Die Gestapo ließ Otto Sauer über den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde schriftlich mitteilen, „dass Ihre Ehefrau am 27. März 1943 an Anämie verstorben ist.“ Die Einäscherung der 58-Jährigen sei, wie auch die Urnenbeisetzung, bereits „auf Staatskosten“ erfolgt. Eine angekündigte Übersendung der Sterbeurkunde erfolgte nicht. Sie wurde erst 1998 bei den Recherchen des Schülerprojekts „Juden in Halle“ des Südstadt-Gymnasiums im Archiv des Vernichtungslagers Auschwitz gefunden. Dort ist als Todesursache „Pneumonia“ angegeben.

1945 erlag Friedrich Otto Sauer einer Schussverletzung. Das Sterberegister Henriette Sauer spricht in diesem Zusammenhang von einem Mord. Über das weitere Schicksal der vier Söhne ist bislang nichts bekannt.

Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), Nachlass Gudrun Goeseke

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)

Eintrag zu Henriette Sauer