Große Ulrichstraße 2


Hier wohnten Dr. med. Leo Lewinsky und Kurt Bauchwitz

Leo Lewinski wurde am 1. Mai 1878 in Berlin geboren. Mit seiner Ehefrau Bertha geb. Levi (*1884 Rothenburg ob der Tauber) bekam er zwei Kinder: Kurt (*1908), der jedoch im Alter von einem Monat starb, und Anni (*1912).

Im Zuge der Reichspogromnacht im November 1938 wurde der Zahnarzt Dr. Leo Lewinsky zunächst in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, dann aber wieder entlassen. Ein Jahr später, im Dezember 1939, verstarb seine Frau. Der Witwer lebte fortan allein in der Großen Ulrichstraße 2. Nach Erlass der nationalsozialistischen „Rassengesetze“, nach denen Juden und „Arier“ nicht mehr in einem Hause leben durften, wurde er gezwungen, seine Wohnung zu verlassen und in ein sogenanntes „Judenhaus“ zu ziehen. Leo Lewinsky wurde die Boelckestraße 24 (heute Dessauer Str.) zugewiesen. Die Nazis hatten die jüdische Gemeinde gezwungen, die hier befindliche Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in ein Wohnlager umbauen zu lassen, um die aus ihren Wohnungen Vertriebenen bis zu ihrer Deportation aufzunehmen. 1943 wurde Dr. Lewinsky in das „Ghetto” Theresienstadt verschleppt. Dort starb er einen Monat später am 15.4.1943 im Alter von 64 Jahren.

Seiner Tochter Anni und deren Ehemann Hans Hermann Willi Unger gelang die Flucht in die USA. Dort lebten zum Zeitpunkt der Verlegung drei Enkelkinder. Anni Unger starb 1997 in Chicago.

Leo Lewinskys Nachbar Kurt Bauchwitz kam am 27. Januar 1881 in Sangerhausen zur Welt. Mit Ehefrau Frieda Anna geb. Badt (*1881 in Schönlanke) bekam er 1915 Tochter Charlotte Elfriede, die in die USA fl üchten konnte. Frieda Bauchwitz starb 1940 in Halle.

Der Witwer Kurt Bauchwitz zog daraufhin in die Große Ulrichstraße 2, aber bald schon wurde der Notar und Rechtsanwalt in das „Judenhaus“ in der Hindenburgstraße 63 eingewiesen (dieses Haus existiert nicht mehr, es wurde 1945 bei der Bombardierung Halles zerstört). Hier schloss er am 20. April 1942 die Ehe mit Elsa Burghardt, die ebenfalls aus ihrer Wohnung vertrieben worden war (→Halberstädter Straße 13). Nur drei Wochen später, am 10. Mai 1942, kurz vor der drohenden Deportation, nahm sich Elsa im Trothaer Hafen das Leben.

Kurt Bauchwitz wurde am 1. Juni 1942 mit einem von Kassel über Halle fahrenden Häftlingstransport in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt und noch am Tag der Ankunft, am 3. Juni 1942, ermordet. Er war 61 Jahre alt.
Sein Bruder Paul Bauchwitz und dessen Frau Regine wurden mit demselben Transport nach Sobibor deportiert (→Adolf-von-Harnack-Straße 18).
Drei weitere Geschwister starben in Konzentrationslagern. Lediglich einem Bruder, Walter Bauchwitz, gelang die Flucht in die Dominikanische Republik.

Weitere Informationen

Das Leben in der Boelckestraße 24 – Auf den Spuren von Isidor und Frieda Hirsch
Ein Film von Inga Dauter, Doreen Hoyer und Elisabeth Schinner (2014, 13 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2014

Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), Nachlass Gudrun Goeseke

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Kurt Bauchwitz
Eintrag zu Leo Lewinsky