Riebeckplatz 4


(ehemals Merseburger Straße 166)

Hier wohnten Julius Schwab und seine Schwester Selma Appel geb. Schwab

kuf dem heute mit einem Hotelgebäude bebauten Grundstück stand eine Stadtvilla, die am 31. März 1945 durch Fliegerbomben zerstört wurde. Sie war das Elternhaus von Julius Schwab und seiner Schwester Selma Appel. Julius Schwab kam am 14. Februar 1890 in Berkach zur Welt.
Der Absolvent des Stadtgymnasiums Halle (Abitur 1909) war Mitglied des Vorstands der Synagogen-Gemeinde Halle sowie seit 1928 Mitinhaber der Firma „Gebrüder Schwab OHG” in der Delitzscher Straße. Er führte diese unter den Landwirten und Großagrariern des halleschen Raumes angesehene Viehhandlung bis zum Oktober 1938. Doch durch den am 1. April 1933 von den Nationalsozialisten verkündeten „Boykott gegen jüdische Geschäfte, Mediziner, Notare und Rechtsanwälte“ sowie durch die antijüdischen Anordnungen der Regierung verlor das Geschäft seine Existenzgrundlage.

In der November-Pogromnacht 1938 wurde Julius Schwab von der Gestapo verhaftet, in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht und am 26. Dezember 1938 mit der Auflage entlassen, Deutschland binnen eines Monats zu verlassen. Nach vergeblichen Versuchen, ein Visum für die USA zu erhalten, erreichte er am 28. Januar 1939 völlig mittellos die Niederlande. Es folgte ein siebenmonatiger Aufenthalt in einem Internierungslager, bis er in Amsterdam eine Stelle als Hausdiener fand. Am 4. September 1942 wurde der 52-Jährige jedoch erneut verhaftet, in das Konzentrationslager Westerbork eingewiesen, am 14. September per Bahn nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort zwischen dem 16. und 20. September 1942 in den Gaskammern ermordet.

Als der Deportationszug Westerbork-Auschwitz auf dem Güterbahnhof Halle hielt, hörte ein Eisenbahner eine Stimme rufen: „Ich bin Julius Schwab. Grüßt meine Familie!“ Der Mann hatte den Mut, das Erlebte der noch immer in Halle lebenden Ehefrau Pauline Margarethe Schwab geb. Günther und den damals 10-jährigen Zwillingssöhnen Günther und Max zu übermitteln. Es war das letzte Lebenszeichen von Julius Schwab.

Frau und Söhne überlebten das Kriegsende in Halle. Hier wurden auch drei von sechs Enkelkindern geboren. Die Scheidung von Margarethe und Julius im Jahr 1940 zum Schutz der Zwillinge wurde nachträglich 1957 aufgehoben. Selma, genannt Jenny, Appel wurde am 4. März 1888 als Selma Schwab in Berkach geboren. Sie heiratete 1910 den 1884 in Erfurt geborenen Kaufmann Arthur Appel. Nach 9 Jahren Ehe folgte die Scheidung. Danach zog Jenny Appel nach Halle und lebte bei ihrem Bruder Julius Schwab. Vom Schicksal ihres jüngeren Bruders Julius erfuhr sie nichts mehr, denn die 54-Jährige wurde bereits am 1. Juni 1942 zusammen mit 154 weiteren Juden von Halle nach Sobibor bei Lublin deportiert und am 3. Juni 1942 im Gas ermordet.

Weitere Informationen

Eine Erinnerung an den Juden Julius Schwab
Ein Film von Anja Gutmair und Romina Kempt (2015, 10 Min)

Wozu ein Stein?
Ein Film von Claudia Brüggemann und Anne Pannecke (2015, 6 Min)

Beide Filme entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2015

Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), Nachlass Gudrun Goeseke

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Selma (Jenny) Appel
Eintrag zu Julius Schwab