Franckestraße 12


(ehemals Nr. 17)

Hier wohnten die Brüder Pfifferling, Joseph, genannt Julius und Friedrich, genannt Fritz

Wo sich heute der Aufgang zu einem DDR-Plattenbau befindet, stand früher ein Haus mit der Nummer 17. Es war das Wohnhaus und zugleich Sitz der „Vieh- und Pferdehandlung S. Pfifferling”. Nach dem Tod des Geschäftsinhabers Sender Pfifferling führten seine Söhne die Handlung weiter. Sender und seine Frau Emilie geb. Katzenstein hatten sieben Kinder: Adolf (*1878) verstarb 1927 eines natürlichen Todes, wie auch Meta (1876-1936) und Selma (1881-1938). Die Kinder Paula, Joseph und Friedrich wurden Opfer der Shoah. Nur Sohn Karl überlebte. Ihm gelang 1939 mit Frau und zwei Töchtern die Flucht in die USA, wo er 1972 starb.
Joseph, genannt Julius (weiterer Spitzname „Jule“) Pfifferling, geboren am 21. Juni 1883 in Wanfried/Hessen, diente als deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg. Seine Nichte Hildegard Samenfeld (Karls Tochter) schilderte ihn als freundlichen, sanften Menschen, der sich gern mit Freunden in einer nah gelegenen Kneipe zum Kartenspiel traf. Er vermählte sich 1911 mit Dorothea Helene Kahn (*2.8.1886 in Pforzheim) in Frankfurt am Main.

Friedrich („Fritz“) wurde am 2. November 1889 in Halle geboren. Schwester Paula war 10 Jahre älter. Sie wurde am 24. Dezember 1879 in Wanfried geboren. Sie heiratete 1903 den Viehhändler Julius Rosenberg (*29.1870 in Hamm) und bekam mit ihm drei Kinder.

1933 wurde die Viehhandlung Pfifferling aus dem „Mitteldeutschen Verein des Pferdehandels“ ausgeschlossen. Nach dem Berufsverbot 1937 mussten die Brüder Pfifferling den Handel endgültig einstellen.
Am 25. April 1938 wurde Julius Pfifferling im Rahmen der „ASR-Aktion“ (Aktion „Arbeitsscheu Reich“) festgenommen und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Diese willkürlichen Festnahmen dienten der Abschreckung und sollten andere Juden zum Weggang aus Deutschland bewegen. Julius Pfifferling musste in Buchenwald im Steinbruch arbeiten. Drei Wochen nach der Einlieferung wurde der 54-Jährige am 16. Mai 1938 angeblich „auf der Flucht erschossen“. Die Polizei übergab der Familie seine Urne und ließ sie für die Einäscherungskosten aufkommen. Da eine Urnenbeisetzung auf jüdischen Friedhöfen traditionell nicht vorgesehen ist, wurde von der Gemeinde auf dem Jüdischen Friedhof in der Dessauer Straße eine Sondergrabanlage für diese Unglücklichen angelegt.

Julius‘ Ehefrau Dorothea und sein jüngster Bruder Friedrich flüchteten am 25. April 1939 per Schiff nach Shanghai – dem einzigen Ort, der Flüchtlinge visafrei aufnahm. Aufgrund der elenden hygienischen Bedingungen grassierten dort viele Krankheiten. So verstarb Friedrich bereits am 1. Oktober 1942 mit 52 Jahren. Dorothea überlebte das Ghetto in Shanghai und siedelte später nach England über.
Paula lebte mit ihrem Mann und den drei Kindern in Siegen/Westfalen. Im Juli 1942 wurden sie in das „Ghetto” Theresienstadt und im September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. An sie erinnern in Siegen zwei STOLPERSTEINE.
Zwei ihrer Kinder gelang die Flucht in die USA und nach Chile. Tochter Lotte Rosenberg emigrierte zwar 1939 mit Mann und Tochter nach Frankreich, doch wurde die Familie 1942 von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Weitere Informationen

Shanghai – Zuflucht und Wartesaal. Hallesche Juden im Exil.
Ein Film von Fabian Lamster, Stefan Michel, Marie Schultz (2017, 30 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2017

Quellen

Schwab, Sabine: Lebenslinien − Erinnerungen an die Familien Gembicki/Kemlinski und Schwab, unveröffentlichtes Manuskript (Stand 2.Juni 2013)

Samenfeld, Gary (USA): Privatarchiv

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Fritz Pfifferling
Eintrag zu Julius Pfifferling
Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945)
Eintrag zu Julius Pfifferling
Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus im Kreis Siegen-Wittgenstein
Eintrag zu Paula Rosenberg
Eintrag zu Julius Rosenberg
Yad Vashem – Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer
Eintrag zu Julius Pfifferling