Geseniusstraße 7


Hier wohnte Frieda Falkenstein

Frieda Falkenstein kam am 15. Juni 1882 in Ermsleben zur Welt (heute gehört der Ort zur Stadt Falkenstein im Harz).
Sie war das erste Kind des Kaufmanns Moritz Falkenstein und dessen Frau Cäcilie geb. Weinzweig. 1887 folgte mit Harri das zweite Kind des Ehepaares.
Um 1911 zog die vierköpfige Familie nach Halle, zunächst in die Gräfestraße 1, drei Jahre später in die Geseniusstraße 7. Das war 1914 – einem für die Familie Falkenstein schicksalhaften Jahr: Im Juli verstarb Familienvater Moritz Falkenstein im Alter von 60 Jahren. Zwei Wochen später brach der Erste Weltkrieg aus und Harri Falkenstein zog als deutscher Soldat in den Krieg. Er wurde bereits 1914 im Kampf „leicht verwundet“ und kehrte nach Halle zurück.
Nun wohnte die Familie zu dritt in der Geseniusstraße 7, bis Harri Falkenstein 1921 heiratete und mit seiner Ehefrau Esther Bernstein nach Pößneck in Thüringen zog. Dort eröffnete das Paar eine Tuchwarenhandlung. Ihre gemeinsame Tochter Edith (*1923 in Pößneck) starb im Alter von acht Jahren bei einem Verkehrsunfall.

Cäcilie Falkenstein und ihre Tochter Frieda blieben in der Geseniusstraße 7 wohnen. Den Unterhalt verdiente Frieda Falkenstein als Prokuristin und Kontoristin. Sie blieb ihr Leben lang unverheiratet, doch ein zurückgezogenes Leben führten anscheinend weder sie noch ihre Mutter. So unternahm Frieda Falkenstein 1926 gemeinsam mit der ebenfalls unverheirateten Bella Feuchtwanger (→Stolperstein Geiststraße 1) eine Schiffsreise nach Genua.
Über den 80. Geburtstag von Cäcilie Falkenstein im Jahr 1932 berichtete das Wochenblatt der Jüdischen Gemeinde, dass sich „ein großer Kreis von Freunden, Verwandten und Bekannten – z.T. von außerhalb - eingefunden [hätte], um die allseits beliebte jugendliche alte Dame durch Glückwünsche, Blumenspenden und Aufmerksamkeiten zu erfreuen.“
Fünf Jahre später, mit 84 Jahren, verstarb Cäcilie Falkenstein und wurde auf dem jüdischen Friedhof in der Humboldtstraße beerdigt, wo bereits ihr Ehemann begraben war.
Frieda Falkenstein lebte nun allein in der Geseniusstraße 7. Doch die Einschnitte und Einschränkungen für Juden nahmen stetig zu.
Als 1939 das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ in Kraft trat, nach dem „Ariern“ nicht mehr zugemutet bzw. gestattet werden sollte, mit Juden unter einem Dach zu wohnen, musste auch Frieda Falkenstein ihre Wohnung verlassen. Sie zog zunächst zu Margarete Friedmann (→Stolperstein Marienstraße/Ecke Dorotheenstraße), später in das Haus Harz 48. Diese beiden Häuser und noch einige weitere in Halle hatten jüdische Eigentümer und waren von den Nazis als „Judenhäuser“ deklariert worden. Hier mussten aus ihren Wohnungen vertriebene Juden auf engstem Raum zusammenleben.

Frieda Falkenstein bemühte sich, aus Deutschland zu fliehen, u.a. versuchte sie nach Australien zu einer Freundin zu emigrieren. Doch ihre Versuche scheiterten.
Am 1. Juni 1942 wurde Frieda Falkenstein gemeinsam mit 154 weiteren Juden von Halle in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und noch am Ankunftstag, dem 3. Juni 1942, mit Gas ermordet.

Auch ihr Bruder Harri und seine Frau Esther bemühten sich vergeblich um Auswanderung. Sie wurden am 29. Januar 1943 zunächst in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und von dort, vier Monate später, weiter nach Auschwitz.
Hier verliert sich ihre Spur.
An ihr Schicksal erinnern seit 2014 Stolpersteine in Pößneck.


Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), insbesondere Nachlass Gudrun Goeseke

Stadt Falkenstein, Standesamt

Yad Vashem

Arolsen Archives

Hallesches Adressbuch (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)

Wochenblatt des Synagogenbezirks Halle a. d. S. (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)

Staatsarchiv Hamburg

Initiative für Stolpersteine in Pößneck