Magdeburger Straße 7

(ehemals Hindenburgstraße 34)


Hier wohnten Elli Mark sowie Hermann Fromme und seine Frau Gertrude geb. Michaelis


Elli Mark wurde am 5. Februar 1878 in Bad Liebenstein als Kind von Raphael und Amalie Mark geboren.
Ihr Vater war viele Jahre Kultusbeamter (Gemeindediener) der Jüdischen Gemeinde und die Familie bewohnte eine Dienstwohnung in der Gottesackerstraße 2. Hier befand sich der 1693 angelegte und 1870 stillgelegte Jüdische Friedhof am Martinsberg/ Töpferplan. Die Nationalsozialisten nahmen der Jüdischen Gemeinde das Grundstück 1937 weg und zwangen sie zur Auflösung des Friedhofs. Einige Grabsteine konnten damals auf den Jüdischen Friedhof in der Boelckestraße (heute Dessauer Straße) überführt werden.

Nach dem Tod seiner Frau und dem Eintritt ins Rentenalter räumte Raphael Mark die Wohnung für seinen Nachfolger und zog gemeinsam mit seiner Tochter Elli in die Bernburger Straße 29. Er starb 1926.

Elli Mark war aufgrund einer Behinderung erwerbsunfähig. Nach dem Tod ihres Vaters musste sie ihren Lebensunterhalt durch eine kleine Rente der Jüdischen Gemeinde bestreiten. 1938 zog sie um in die Hindenburgstraße 34 (heute Magdeburger Straße 7). Im selben Haus wohnte das Ehepaar Hermann und Gertrude Fromme. Der Kaufmann Hermann Fromme (*22.6.1866 in Detmold) und Gertrude Michaelis (*25.5.1878 in Bleicherode) hatten 1901 geheiratet. In der Hindenburgstraße 34 in Halle führten sie gemeinsam das Geschäft Hermann Fromme & Co. Leinen, Wäsche und Aussteuern.

Nach der Reichspogromnacht 1938 wurde das Paar jedoch enteignet und verlor damit seine Lebensgrundlage. Um 1941 wurde Elli Mark per Gestapo-Anordnung auf dem Gelände des neuen Jüdischen Friedhofs in der Boelckestraße 24 (heute Dessauer Straße) untergebracht. Die dort befindliche Trauerhalle war 1939 so umgebaut worden, dass sie als „Rückwandererheim“ Juden aufnehmen konnte, die aus westdeutschen Frontgebieten nach Halle evakuiert worden waren. Ab 1941 diente sie der Gestapo (beschönigend „Alten- und Siechenheim“ genannt) als Sammellager zur Vorbereitung der Deportationen, die ab April 1942 als „Abwanderungen nach Osten“ angekündigt wurden. Am 1. Juni 1942 nahm in Halle ein Personenzug 3. Klasse die 64-jährige Elli Mark gemeinsam mit 154 weiteren Juden auf und brachte sie über Leipzig und Lublin ins Vernichtungslager Sobibor. Dort wurden sie noch am Tag der Ankunft, dem 3. Juni 1942, mit Gas ermordet.

Einen Tag nach der Abreise von Elli Mark wurden die 64-jährige Gertrude Fromme und ihr 75-jähriger Ehemann Hermann tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Todesursache lautete „Selbstmord durch Leuchtgasvergiftung“. In dem erhaltenen Abschiedsbrief vom 10. April 1942 heißt es: „Was unserem früheren Dasein Erhebung und Freude gab, ist uns genommen. Die Beschäftigung mit unserm Beruf ist uns unmöglich gemacht, die Wissenschaften, die wir seit unserer Jugend gepflegt haben, können wir nicht weiter pflegen, die Wanderungen in den herrlichen Gebirgen, denen wir unsere schönsten Erlebnisse verdanken, sind uns genommen. Die meisten Menschen die uns und denen wir in treuer Freundschaft verbunden waren, sind von uns geschieden. Unser Pflichten und Ehre und besonders unsere Rechte sind uns geraubt. So hat unser Dasein seinen Wert für uns verloren. Wir haben deshalb den Entschluß seit längerer Zeit gefaßt aus dem Leben zu scheiden. Hart ist uns der Abschied von unseren Freunden. Wir danken ihnen für unsere Freundschaft. Unsere herzlichsten Wünsche begleiten sie. Mögen sie in Gesundheit ihre Lieben, die sie erwarten, wieder sehen und mit ihnen vereint einen schönen Lebensabend erleben.

Weitere Informationen

Das Leben in der Boelckestraße 24 – Auf den Spuren von Isidor und Frieda Hirsch
Ein Film von Inga Dauter, Doreen Hoyer und Elisabeth Schinner (2014, 13 Min)
Entstanden im Rahmen des Projekts „Stolpersteine – Filme gegen das Vergessen“ des Masterstudiengangs MultiMedia & Autorschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2014

Quellen

Stadtarchiv Halle (Saale), Nachlass Gudrun Goeseke

Volkhard Winkelmann und ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle" des Südstadt-Gymnasiums Halle (Hrsg.): Unser Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle. 3. Auflage (2008)
Eintrag zu Elli Mark
Eintrag zu Hermann Fromme
Eintrag zu Gertrude Fromme
Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer des nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945)
Eintrag zu Elli Mark
Eintrag zu Hermann Fromme
Eintrag zu Gertrude Fromme